Liturgie - Der Zweite Blick
Der Zweifel gehört zur echten Fruchtbarkeit,
man muss durch ihn hindurch,
es geht kein anderer Weg als dieser gefahrvolle in die große Gewissheit.
Martin Buber
Bibelwort: Matthäus 11,2-11 (Evangelium vom 3. Adventssonntag)
AUSGELEGT!
Bist du der, der kommen soll?
Ehrlich – diese Frage habe ich mir in Bezug auf Jesus noch nie gestellt. Ist doch klar: Jesus – Sohn Gottes; Erlöser, der uns durch Kreuz und Auferstehung gerettet hat. Kein Platz für Zweifel. Und dennoch bleibt Unbehagen: Dass nicht mein Glaube so groß ist, sondern meine Erwartung zu klein. Meine Erwartung an Gott, an mich selbst, an ein Leben aus dem Glauben.
Die Erwartung des Johannes war sehr groß. An den, der kommen soll: Nicht weniger als der Messias, der Retter. An sich selbst: Sich kompromisslos in den Dienst Gottes zu stellen, mit erschreckender Radikalität. Und so führt ihn sein Leben aus dem Glauben in die Auseinandersetzung mit den Mächtigen und ins Gefängnis (und letztlich in den Tod). Wer solche Erwartungen hat, dem können auch im Ernstfall des Lebens und des Glaubens Zweifel kommen. Lebe ich im Ernstfall des Lebens und des Glaubens oder sind mir noch keine Zweifel gekommen, weil meine Erwartungen so klein sind? Diese Frage wird mich zumindest in den nächsten Wochen nicht mehr loslassen. Ich glaube, das würde dem Täufer gefallen. Er kam, um die Menschen zu erschüttern, dass sie sich infrage stellen, dass sie sich der Ernsthaftigkeit des Glaubens bewusst sind. Auch mich. Und Sie.
Michael Tillmann
Quelle: Pfarrbriefservice.de
Foto: Michael Tillmann
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