Liturgie - Der Zweite Blick
Jesus lehrt uns: Kinder sind Vorbilder und Erwachsene sollen von ihnen lernen!
Aber was kann man als erwachsener Mensch von einem Kind lernen? Vielleicht sind es vor allem zwei Dinge: Die Freiheit von Sorgen und all dem, was uns so oft gefangen hält und belastet. Und ein Zweites: Kinder leben ganz im Hier und Heute und nehmen ihre Umwelt sehr genau wahr. Das sind zwei positive Dinge, die auch jedem Erwachsenen guttun.
Jesus und die Ehe; Jesus und die Kinder – was haben diese beiden kurzen Szenen im Evangelium miteinander zu tun?
Äußerlich eher nichts, innerlich aber sehr viel: es geht um das Reich Gottes.
Also um den Bereich, in dem die Gesetze der Welt nicht mehr gelten, dafür aber die Liebesgebote Gottes.
Um die Liebe geht es in der Ehe, um die Liebe geht es im Leben mit Kindern. Liebe sprengt aber auch die Fesseln der Welt, das weiß Jesus und lebt es. Und deshalb hat auch die kleine Ampel im Hintergrund ihre Berechtigung.
Bibelwort: Markus 10,2-16 (zum Evangelium vom 27. Sonntag im Jahreskreis)
AUSGELEGT!
Was Gott verbunden hat, das darf der Mensch nicht trennen.
Bei diesem biblischen Text stehen wir vor der wichtigsten Frage überhaupt, was die Hl. Schrift betrifft: Sollen wir die Bibel wörtlich nehmen? Hat uns Jesus also verboten, Ehen zu scheiden? Und woher wissen wir, was „Gott zusammengefügt hat“? Bevor wir uns bei den Antworten die geistlichen Finger verbrennen, hören wir lieber auf den jüdischen Religionswissenschaftler Pinchas Lapide (1922–1997), der den aufregenden Satz geschrieben hat: „Wir können die Bibel wörtlich nehmen oder ernst – beides zusammen geht nicht.“
Das ist ein möglicher Schlüssel, mit historischen Texten umzugehen: wir nehmen sie sehr ernst. Jesus hatte gewiss nicht im Sinn, dass sich Menschen in einer ehelichen Gemeinschaft quälen. Und ob er hier von einer Unauflöslichkeit jeder Ehe spricht, ist schwer vorstellbar. Aber Jesus denkt an die Verantwortung, die Menschen voreinander und vor Gott haben – mit ihrem Leben, mit ihrer Ehe und mit ihren Kindern. Jesus denkt bei allem, was er sagt, tut und uns rät, an die Verantwortung, die wir haben. Das ist das Ernste seiner Botschaft: die Bitte, dass wir nicht gleichgültig leben und nicht nur auf uns selbst ausgerichtet; als Einzelne nicht und als Eheleute auch nicht. Was Ihr tut, tut in Verantwortung vor Gott, sagt Jesus; und Ihr werdet leuchten und leben.
Michael Becker
Quelle: Bermoser + Höller Verlag AG
Foto: Peter Kane; Foto: Michael Tillmann
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