Liturgie - Der Zweite Blick
Die Macht des Christkönigs ist seine Ohnmacht, die Ohnmacht seiner Liebe, die das Kreuz nicht verhindern konnte (und wollte).
Aber was ist in 2.000 Jahren aus dieser Ohnmacht nicht alles erwachsen?
Wie vielen Menschen war und ist sie Halt, Sinn und Ziel ihres Lebens?
Jesus hat sich mit dem Königstitel schwergetan. Jedenfalls hat er ihn selber nicht verwendet. Obwohl er durchaus messianisches Bewusstsein hatte – König wollte er nicht heißen.
Er wollte nicht sein, was allgemein damit verbunden war: Egoismus, Macht, Gewalt.
Pilatus war es, der ihn schließlich so genannt hat: Die Kreuzesinschrift, wie sie bei Hinrichtungen Brauch war, hält genau diesen Titel fest: Der König der Juden.
Zum Spott für ihn und für die Juden.
Bibelwort: Johannes 18,33b-37 (zum Evangelium vom Christkönigssonntag)
AUSGELEGT!
Jesus antwortete: Du sagst es, ich bin ein König.
Pilatus möchte sich in innerjüdische Angelegenheiten nicht hineinziehen lassen. Er versteht sie nicht – und noch mehr: sie interessieren ihn nicht. Jerusalem ist nicht der prestigeträchtigste und bedeutendste „Außenposten“ des Römischen Reiches, und Pilatus‘ Aufgabe ist es, für Ruhe zu sorgen. Deshalb die Frage an Jesus, von dem er schon gehört haben wird: Bist du der König der Juden? Das ist etwas, was in sein Denken passt: Provinzkönige darf es nur mit Erlaubnis und in Abhängigkeit des Kaisers geben. Doch Pilatus hat schon ein Gespür für die Situation: Nicht jeder, der sich als König tituliert, ist gleich eine Gefahr für Rom; und er spürt, dass die Feindseligkeit der jüdischen Obrigkeit Gründe hat, die er nicht versteht.
Wie leicht wäre es für Jesus gewesen, sich mit Pilatus‘ Hilfe in Sicherheit zu bringen, doch er geht seinen Weg der Wahrheit weiter – im Wissen um das, was passieren wird. Und das ist etwas, das Pilatus – und nicht nur er damals – so gar nicht verstehen kann.
Michael Tillmann
Quelle: Bermoser + Höller Verlag AG
Foto: Peter Kane
Grafik: Jozsef Gabor
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