Seelsorge - Kreuz & Quer
Da hat der Künstler ja etwas deutlich missver-standen – oder? Sagt Johannes der Täufer nicht von sich selbst: Er – gemeint ist Jesus – muss wachsen, ich aber muss geringer werden (Johannes 3,30). Oder hat der Künstler – sozusagen fotografisch – den Moment einge-fangen, in dem der „Größenwechsel“ beginnt: Johannes, der bekannte Täufer, zu dem hinaus an den Jordan die Spitzen der jüdischen Gesellschaft genauso strömen wie „das einfache Volk“, eine Lichtgestalt, von dem nicht wenige meinen, er wäre der Messias – und Jesus, obwohl schon rund 30 Jahre alt, unbekannt, einer, der sich in die Menge der anderen einreiht. Johannes erkennt den, der vor ihm steht, ahnt, was kommen wird, wie sich die Größenverhältnisse ändern werden. Johannes bekennt das auf vielfältige Weise, so zum Beispiel, dass er nicht wert ist, Jesu Schuhriemen zu lösen (Johannes 1,27).
Das mit den Größenverhältnissen ist ja so eine Sache. Den Menschen ist oft sehr wichtig, wer der Größere ist, doch Jesus hat darauf einen ganz anderen Blick, der sich wie ein roter Faden durch die Evangelien zieht. Das wird schon bei seiner Geburt deutlich: Die drei Weisen, die den neuen König suchen, knien vor einem Kind. Die Ersten werden die Letzten sein und die Letzten die Ersten. Und von Johannes sagt Jesus, dass es unter den Menschen keinen Größeren gibt als Johannes, doch dass der Kleinste im Himmelreich größer ist als er (Matthäus 11,11).
Was kann ich daraus lernen? Dass ich mich selbst klein mache, wenn ich mich über meine Mitmenschen erhebe; und dass ich nie größer sein kann, als wenn ich vor meinem Gott knie und den Menschen diene.
Quelle: Image-Online; Bergmoser + Höller Verlag AG
Foto: Michael Tillmann
