Seelsorge - Kreuz & Quer
Eine Reihe von Grabsteinen auf einem Soldatenfriedhof. Namen und Daten wie ausgelöscht. Sie erinnern an ein Palimpsest, an ein antikes oder mittelalterliches Schriftstück, von dem der ursprüngliche Text abgeschabt oder abgewaschen und das danach neu beschriftet wurde. Aus Kostengründen wurde früher so vorgegangen, da Pergament ein seltenes und teures Schreibmaterial gewesen ist. Auch wenn Grabsteine aufgrund ihres hochwertigen Materials und dem hohen Aufwand der Bearbeitung kostspielig sind, besteht kein Mangel an ihnen. Bei den Grabsteinen des Soldatenfriedhofs war „die Natur am Werk“, die über viele Jahrzehnte Namen und Daten „ausgewaschen“ hat. Gut, dass menschliches Erinnerungsvermögen „stabiler“ ist.
Doch der Gedanke des Neu-Beschriftens ist widerborstig. Weil er daran erinnert, dass der Krieg nach Europa zurückgekehrt ist. Mit dem Krieg das militärische Denken, das Hochfahren der Rüstungsproduktion; Überlegungen, die Wehrpflicht wieder in Kraft zu setzen. Es bedarf wieder in großer Zahl der Grabsteine für Kriegsopfer – noch nicht bei uns, doch die Angst davor wächst, wenn es heißt, dass wir wieder kriegstüchtig werden müssen. Vielleicht aus notwendigem Grund, doch das schmälert die Sorge nicht.
Quelle: Image-Online; Bergmoser + Höller Verlag AG
Foto: Michael Tillmann
