Ansichten - Die Glocken
Eine Kostprobe des Klangs aller drei Hauptglocken hören Sie bei Nutzung des nebenstehenden Tools.
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Die Heilig-Kreuz-Glocke
Die Heilig-Kreuz-Glocke ist um das Jahr 1480 gegossen worden.
Ihre Masse beträgt 2000 kg (ohne Klöppel) und sie verfügt über einen Glockendurch-messer (Unterkante) von 1459 mm.
Die reichen Verzierungen machen sie besonders interessant für den Glocken-liebhaber.
Am Glockenhals ist in Minuskelschrift folgender Wortlaut geprägt (s.a. Detailfoto):
vox . michi . vox . grata . licite . hinc . que . benigna . vocata . hilf . goth . maria . berad . hilf . us . noet.
Als Trennungszeichen sind zwischen die einzelnen Worte das Bild einer Lilie gezeichnet und eine aus den Wolken reichende, eine Schriftrolle haltende Hand.
Mehrere Bemühungen diese Schrift zu übersetzen, hatten bisher noch zu keinem Erfolg geführt.
Seit dem 22. August 2011 liegt aber - Dank intensiver Nachforschungen von Herrn Joachim Grabinski die Übersetzung vor und lautet:
Entlockt mir hier die Stimme, die liebliche Stimme, die ich Benigna (die Gütige) genannt werde. Hilf Gott, Maria berate, hilf aus Nöten. (Nähere Erläuterungen siehe unten)
Die Viertelstunden-Glocke
Die Viertelstunden-Glocke ist mit großer Wahrschein-lichkeit die älteste Glocke des Domes (um 1477 ge-gossen) und ist am häufigsten, weit über das Dom-gelände hinaus, zu hören. Sie wird viertel-stündlich, von der Turmuhr gesteuert, angeschlagen. Dabei wird der ihr ureigenste Ton "F" erzeugt.
Die Masse dieser Glocke beträgt 130 kg und sie besitzt am unteren Rand einen Durchmesser von 637 mm.
Außer einer Inschrift am Glockenhals verfügt die Viertelstunden-Glocke über keine weiteren Verzierungen.
Geschichtliches zum Dom-Geläut
Der Dom zum Heiligen Kreuz besaß noch im Jahre 1740 sieben Glocken.
Im Jahre 1823 wurde eine davon von Friedrich Wilhelm III. an die Kirche nach Friedrichslohra ver-schenkt.
Eine zweite Glocke war gesprungen und ist 1904 eingeschmolzen worden.
Die daraus entstandene neue Glocke musste 1917 für Kriegszwecke abgeliefert werden, wie auch schon 1916 eine Glocke, die 300 Jahre alt war, als spätere Kanone "ihren Dienst versah".
Aus den Erlösen und unter finanzieller Hilfeleistung der Gemeinde sind 1927 zwei neue Glocken von der Gießerei Gebr. Ulrich aus Apolda bezogen worden.
Eine Glocke war zu Ehren der hl. Familie Jesus Maria Josef geweiht, wog 1285 kg (25,5 Zentner) und hatte den Ton E.
Die lateinische Inschrift lautete übersetzt:
„Im Kriege eingeschmolzen , im Frieden wiederbeschafft im tausendsten Jahre nach Gründung der Stadt Nordhausen".
Die andere Glocke, die St.-Mathilden-Glocke, hatte ein Gewicht von 637 kg (12,5 Zentner) und besaß den Ton Gis und trug die Inschrift:
„Heilige Mathilde, Deutschlands Königin, Doms Gründerin, sei uns Schützerin! Im Jahre 1000 seit Grün-dung der Stadt 927 - 1927".
Alle drei Glocken wurden übrigens seit 1927 elektrisch geläutet. Die Antriebe dazu lieferte die Fa. Rudolf Brambach aus Nordhausen.
Die Weihe der Glocken erfolge allerdings nicht wie vorgesehen zu Jahrtausendfeier des Domes 1961, sondern erst zum Patronatsfest der Domgemeinde, Kreuzerhöhung, im Jahre 1962.
Glockensteckbrief (nach Joachim Grabinski)
Glocke 1 (Benigna, Marienglocke) | Glocke 2 (Mathildenglocke) |
Glocke 3 (Marien- und Nothelfer-glocke) | Glocke 4 (Schlagglocke) |
Erläuterungen zur Inschrift der Glocke 1 (Benigna, Marienglocke)
Ausgangsbasis ist die Inschrift
vox . michi . vox . grata . licite . hinc . que . benigna . vocata . hilf . goth . maria . berad . hilf . us . noet.
Die beiden Probleme waren ja, so J. Grabinski, dass 'michi' Dativ ist, und dass 'licite' = 'ihr dürft' als Imperativ Plural inhaltlich keinen Sinn gibt.
Plötzlich war klar, dass die Zeile in einem sauberen Amphibrachys (Versfuß mit Silbenfolge leicht-schwer-leicht wie z. B. beim Namen Johánnes) geschrieben ist:
vox mi-chi vox gra-ta ? li-ci-te hinc que be-nig-na vo-ca-ta
Es fehlt ein Buchstabe, ein 'e', so dass der Imperativ 'elicite' wird, also 'elicite michi' = 'entlockt mir' bzw. 'vox michi elicite hinc' = 'entlockt mir hier die Stimme'.
Macht insgesamt:
vox michi vox grata elicite hinc qve benigna vocata
Entlockt mir hier die Stimme, die liebliche Stimme, die ich Benigna (die Gütige) genannt werde!
Wirklich eine großartige und einmalige Inschrift!
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Text: H.-Joachim Grabinski
Fotos: Bruno Sander