Katholische Pfarrgemeinde  Dom zum Heiligen Kreuz

Nordhausen

Liturgie - Zwischen Himmelfahrt und Pfingsten

Trennung und Zerrissenheit

Die zehn Tage zwischen Christi Himmelfahrt und Pfingsten in diesem Monat stehen unter der Überschrift „Verlassenheit und Trennung“.

Foto: Friedbert Simon; pfarrbriefservice.de

Am Himmelfahrtstag hat Jesus die Jünger verlassen, die nun darauf warten, dass irgendetwas passiert. Jesus hat ihnen den Heiligen Geist verheißen, doch wie und wann und in welcher Form er zu ihnen kommt, was dieser Geist überhaupt genau ist, ich glaube, das wussten die Jünger vor fast zweitausend Jahren auch nicht so genau. Und ich glaube auch, dass wir, obwohl mit dem Heiligen Geist getauft und im Wissen um Pfingsten, die Ratlosigkeit der Jünger nachvollziehen können. Mit dem Heiligen Geist tun wir uns schwer, das zeigt auch die schwindende Bedeutung des Pfingstfestes, das wir am Ende des Monats feiern.

Die Jünger in ihrer Verlassenheit nach der Himmelfahrt sind vielen Menschen heute nahe, sind vielleicht auch Ihnen nahe. Auch Sie mussten vielleicht in den vergangenen Jahren von vielem Abschied nehmen: Von einem Zuhause, vielleicht von lieben Menschen, von körperlicher Leistungsfähigkeit, von materieller Sicherheit. Trennungserfahrungen sind Ihnen nicht fremd. Abschied nehmen, aus gewohnten Lebensbahnen herausgerissen zu werden, kann auch zu einem Gefühl innerer Zerrissenheit werden. „Ich fühle mich wie entzweigerissen!“ Viele Menschen empfinden das heute so. Die Gründe sind vielfältig, doch es gab noch nie so viele psychische Erkrankungen bei Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen wie heute. Sie finden sich in der Welt nicht mehr zurecht. Es ist ihnen alles zu kompliziert und wird ihnen alles zu viel. Christen machen dabei keine Ausnahme. Und vor der Erfahrung der Zerrissenheit, der Orientierungslosigkeit sind auch wir, bin auch ich nicht gefeit – auch wenn es sich – Gott sei Dank – nicht immer zu einer psychischen Erkrankung entwickelt. Eng verbunden damit ist die Erfahrung des Alleinseins, des Verlassenseins, auch von Gott – ähnlich der Erfahrung der Jünger am Himmelfahrtstag.

Foto: Ursula Graber; pfarrbriefservice.de

Was hilft gegen dieses Gefühl der Zerrissenheit und des Alleinseins?
Es gibt dafür kein Patentrezept. Ich kann Ihnen nur persönlich sagen, was mir hilft – immer wieder zu versuchen, mit Jesus eins zu sein. Doch wie geht das, mit Jesus eins sein? Das hat nichts mit Geboten zu tun, das müssen und können wir nicht leisten. Aber ich darf mit Jesus darum bitten. Ehrlich bitten, weil ich erkannt habe, dass es gut für mich ist, dass es mich heil macht. Und ich darf Jesus vertrauen, wie ich als Kind meinen Eltern vertraut habe und ihnen auch heute vertraue. Wie Mütter und Väter bei ihren Kindern spürt Gott bei uns, seinen Kindern, was wir brauchen und was gut für uns ist. Und wie Eltern sich manchmal für ihre Kinder „zerreißen“, zerreißt sich Gott für uns, damit wir eins mit ihm sind und heil werden. Hat Jesus sich am Kreuz für uns zerrissen. Was brauchen wir mehr, als ihm zu glauben und ihm zu vertrauen. Und als Glaubens- und Vertrauenshilfe schenkt er uns zu Pfingsten wieder den Heiligen Geist. Damit wir heil werden – zumindest ein klein bisschen heiler als heute.

Michael Tillmann

Anmerkung zu Bild 2:
An Pfingsten wird in der Wallfahrtskirche Mariä Himmelfahrt in Johanneck das Hl. Geist Loch geöffnet. Rosen und Pfingstrosenblätter werden dann herabgestreut.


Quelle: Bergmoser + Höller Verlag AG
Foto: Friedbert Simon; pfarrbriefservice.de
Foto: Ursula Graber; pfarrbriefservice.de

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